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Geschichte der Azoren

 

Auf den Azoren leben heute etwa 240.000 Menschen. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt hauptsächlich im Tourismus, der Landwirtschaft und dem Fischfang. Sie sind bodenständig, offen, von außerordentlicher Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Die Zeiten, als Tausende der Inselbewohner nach Brasilien oder Nordamerika auswanderten, sind vorbei. Im Gegenteil: Viele Auswanderer kehren zurück, und andere wandern ein, angezogen von der Schönheit, der Ruhe und der Lebensqualität, die sie auf den Inseln finden.

Portugiesisch ist die Landessprache der Azoren, allerdings mit einem ausgeprägten Inseldialekt, der von Insel zu Insel variiert. Englisch wird fast überall verstanden und gesprochen.

Als Diogo de Silves 1427 die Inseln (ca. 2.300km² Landfläche – etwa so groß wie Luxemburg) mitten im Atlantik entdeckte, ahnte er noch nichts von der zukünftigen geostrategischen Bedeutung der Inseln. Dank ihrer Lage (1.500 km westlich des europäischen Festlandes, 3.600 km östlich von Nordamerika) waren die Azoren im 16. und 17. bis ins 20. Jahrhundert hinein wichtiger Anlaufhafen, Umschlags- und Handelsplatz im Nordatlantik, Brückenpfeiler zwischen der alten und der neuen Welt. Selbst Columbus machte auf seiner Heimfahrt, nachdem er Amerika entdeckt hatte, auf Santa Maria Halt.

 

12., 13., 14. Jahrhundert

Arabische und italienische Seefahrer zeichnen Karten mit Inseln mitten im Atlantik.

 

15. Jahrhundert

Prinz Heinrich der Seefahrer fördert und fordert als Verwalter des Christusritterordens die portugiesischen Entdeckungsfahrten. So werden zwischen 1427 und 1452 die neun Azoreninseln durch die Portugiesen entdeckt. Flamen und Portugiesen, Adlige und Bauern machen sich auf, die Inseln zu besiedeln. Sie bringen Kühe und Pflanzen, roden die Inseln und bewirtschaften sie. Bald versorgen die Azoren das kleine Portugal und die neu entdeckten Kolonien sowie die anlandenden Karavellen mit den nötigen Nahrungsmitteln. Bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden fast alle Siedlungen entlang der Küsten gegründet und befestigte Häfen angelegt.

 

16. Jahrhundert

Die Azoren sind ein begehrtes Ziel der Piraten. Viele Schätze versinken nach blutigen Seeschlachten auf dem Meeresboden. Viele Ortschaften werden zerstört. Vulkanausbrüche und Erdbeben tun ihr Übriges. Mit Heinrich dem Seefahrer beginnt für Portugal das Zeitalter der Entdeckungen, und bald besitzt Portugal Handelsniederlassungen in der ganzen Welt. Mit wertvollen Handelsgütern beladene Schiffe segeln über die Azoren. Und die Azoreaner erhalten für Wasser und Proviant die erlesensten und wertvollsten Waren. Angra, die damalige Hauptstadt, wird ein wichtiges Handelszentrum. Färbereien in Flandern verlangen Farbstoffe, die aus Pastell und der wild wachsenden Färberflechte Urzella gewonnen werden. Immer mehr Getreideanbauflächen werden für den Anbau von Pastell hergegeben. So kommt es Ende des 16. Jahrhunderts zur ersten Hungersnot. Portugal unterwirft sich der spanischen Krone. Obwohl auf Terceira die Spanier durch weibliche List und die Kraft der Stiere eine empfindliche Niederlage erfahren haben, müssen sich 1583 auch die Azoreaner den Spaniern geschlagen geben.

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Heinrich der Seefahrer Açor (Habicht), das Flaggensymbol

17. Jahrhundert

Die spanische Herrschaft bedeutet für die Azoren eine wirtschaftliche Blütezeit, denn nun laufen fast alle Schiffe der iberischen Kolonialmächte die Inseln an. Als aber Mitte des 17. Jahrhunderts Portugal wieder von Spanien unabhängig wird, verlieren die Azoren als Handelsposten im Atlantischen Ozean an Bedeutung. Mit der Einführung von Indigo aus Amerika lässt auch die Nachfrage nach Färberwaid und Färberflechte nach.

 

18. Jahrhundert

Von Beginn der Besiedlung bis ins 19. Jahrhundert herrscht auf den Azoren eine tiefe Kluft zwischen den privilegierten Schichten und dem Rest der Bevölkerung. Auch als der Marquês de Pombal die auf den Azoren herrschende feudale Lehensherrschaft abschafft und eine für alle Inseln zuständige, aber von Lissabon straff geführte, zentrale Regierung in Angra einsetzt, ändert sich nicht viel. Gegen den Willen der Bevölkerung erklärt er die Inseln zur Provinz und schließlich zur Kolonie Portugals. Der Archipel beginnt sich zu einem wichtigen Walfangzentrum zu entwickeln. Amerikanische Walfangschiffe gehen vor den Azoren auf Jagd und heuern die mutigen Inselbewohner an.

 

19. Jahrhundert

Der Anbau von und der Handel mit Orangen, Tee und Tabak gewinnt an wirtschaftlicher Bedeutung und bringt bescheidenen Reichtum auf die Inseln. In Lissabon kommt es 1826 zum Thronfolgestreit. Die Azoreaner unterstützen den liberalen Pedro IV. Das bringt ihnen den Sieg und Angra den heldenhaften Beinamen ‚do Heroismo’. Die ersten Dampfschiffe pendeln zwischen Lissabon und den Azoren und sind der Anfang der Transatlantikfahrten mit den Azoren als wichtigen Kohlebunker und Zwischenstopp. Faial wird zum Knotenpunkt für Telefonkabel zwischen Amerika und Europa. 1860 sticht von Flores aus – später auch von Pico – das erste rein azoreanische Walfangboot in See. Gejagt werden hauptsächlich Pottwale. Der Walfang spielt nun bis 1983 eine wichtige Rolle.

 

20. Jahrhundert

Immer wieder bebt die Erde, spuckt Feuer und lässt Asche regnen.
Die Azoren bleiben ein wichtiger Brückenkopf zwischen der alten und der neuen Welt auch bei zunehmender Technisierung der Verkehrsmittel. Schiffe und Flugzeuge, Unterseekabel und Telefongespräche laufen über die Azoren. Amerikaner und Alliierte nutzen die günstige geostrategische Lage und bauen Flughäfen und Militärstützpunkte. Bis die Azoren 1976 die innenpolitische und administrative Autonomie von Portugal erhalten (sie bleiben portugiesisches Staatsgebiet), spielen sie politisch eine sehr unbedeutende Rolle. Als 1986 Portugal der Europäischen Union beitritt, werden die Azoren der westlichste Außenposten der EU, und sie gewinnen mehr und mehr unsere Aufmerksamkeit und unser Interesse.

 

21. Jahrhundert

Und immer noch liegen die grünen Inseln der Azoren am Rande Europas, umspült von der weißen Gicht des Atlantischen Ozeans. Auf der Insel Sao Miguel leben 100 000 Einwohner, auf den übrigen weitere 150 000. Sie leben hauptsächlich von der Milchwirtschaft, dem Tourismus, europäischen Subventionen und den Zuwendungen der Verwandten im Ausland. Das atlantische Klima und die vulkanische Erde haben weite, eindrucksvolle Landschaften geschaffen und sorgen für eine üppige Vegetation. Die meisten Besucher kommen zum Wandern, aber von überall locken auch der Ozean und seine vielfältigen Bewohner. Die Luft riecht nach Salz und frischen Kräutern. Die neun vulkanischen Inseln und das tiefe Meer sind Orte, an denen Aktivurlauber und solche, die nichts als Ruhe und Erholung suchen, Entspannung und Abenteuer finden. Beide erleben und genießen die beeindruckenden Landschaften der Inseln und die vielseitigen Möglichkeiten des gewaltigen Ozeans.

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Ponta Delgada, Angra, Flores (um 1900)